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Stand: 25. Jun 08

Zeit- und kostengünstige Erfassung und Bewertung von Altstandorten
von Dr. Frank Schröter

Nachhaltige Stadtentwicklung, die im Moment von allen Seiten gefordert wird, ist ohne Flächenrecycling kaum denkbar. Nachhaltigkeit bedeutet zunächst Bewirtschaftung der Ressourcen, ohne daß die Substanz verloren geht. Im zweiten Schritt, Berücksichtigung und Minimierung der Auswirkungen z.B. neuer Flächeninanspruchnahme. Durch Flächenrecyling, d.h. die Wiedernutzung von insbesondere gewerblich genutzten Standorten lassen sich schädliche Umweltwirkungen minimieren. Es werden keine ökologisch wertvolleren Flächen umgenutzt. Es entsteht weniger Verkehr, da recycelte Flächen meist in der Nachbarschaft zu Wohnbauflächen liegen und so Arbeitsplätze in Wohnungsnähe geschaffen werden (Stichwort: Funktionsmischung). Im besten Fall kann sogar vorhandene Bausubstanz genutzt werden, d.h. es entstehen keine Umweltbelastungen durch die Herstellung von Baumaterialien. Demgegenüber steht ein Risiko, welches gerade durch die frühere (gewerbliche) Nutzung verursacht wird und häufig ein Flächenrecycling verhindert bzw. erschwert; das Altlastenrisiko. Der produktionsbedingte Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen hat bei vielen gewerblich genutzten Standorten dazu geführt, daß der Boden mit Schadstoffen verunreinigt worden ist. Für den potentiellen neuen Nutzer dieser Fläche stellt sich demnach die Frage, bei welcher Branche besteht ein Altlastenrisiko und wie groß ist dieses Risiko? Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft das Windowsprogramms "Altlasten-Explorer", mit dessen Hilfe auch der "Altlastenlaie" das potentielle Risiko einer gewerblich bedingten Bodenverunreinigung abschätzen kann und so, durch Flächenrecycling, einen Beitrag zur nachhaltigen Stadtentwicklung leisten kann.

Die Notwendigkeit, das Risiko einer möglicherweise vorhandenen Bodenverunreinigung abzuschätzen bzw. das Risiko das von dieser Verunreinigung ausgeht, kann sich für eine Reihe von Personengruppen ergeben, die im weitesten Sinne mit dem Flächenrecycling zu tun haben. Insbesondere sind hier zu nennen:

Zunächst muß abgeschätzt werden, ob die betreffende gewerbliche Nutzung zu den Branchen gehört, bei denen ein generelles Altlastenrisiko besteht. Ein solches Risiko läßt sich anhand der für den Produktionsprozeß benötigten Substanzen abschätzen, mit denen auf dem Grundstück umgegangen wurde und/oder die auf dem Grundstück gelagert worden sind. Die sich hieraus ergebenden Matrizen Branche-Schadstoffe finden sich in verschiedensten Literaturquellen (vgl. z.B. /1/ und /2/) und liegen mit dem Altlasten-Explorer jetzt auch als Windowsprogramm vor /3/.

Der Altlasten-Explorer beinhaltet insgesamt 230 Branchen, bei denen davon ausgegangen werden muß, daß es während des Produktionsprozesses zu Bodenverunreinigungen gekommen ist. Von diesen 230 Branchen beziehen sich 52 Branchen auf gewerbliche Nutzungen der ehemaligen DDR und berücksichtigen die dort nach /4/ typischen Produktionsprozesse und eingesetzten Schadstoffe.

Über ein alphabetisches Verzeichnis, die Auswahl eines Wirtschaftzweiges oder die Suche über einen Namensbestandteil gelangt der Anwender des Altlasten-Explorer zu der jeweiligen Branche. Der Altlasten-Explorer zeigt nun z.B. die in Abbildung 1 wiedergebenen Informationen zu den Produktionsprozessen der gewählten Branche (Brancheninformationen) und eine Liste der dort typischerweise verwandten Schadstoffe (Schadstoffkatster) an.

Brancheninformationsfeld

Abb.1: Brancheninformationen und Schadstoffkataster für die Branche "Bahnbetriebs-/Ausbesserungswerke und Personenwagenabstellbahnhöfe" im Altlasten-Explorer

Die im Altlasten-Explorer enthaltenen Branchen weisen ein generelles Altlastenrisiko auf, bei einigen dieser Branchen konnte das Risiko, d.h. die Wahrscheinlichkeit, daß es tatsächlich zu Verunreinigungen des Bodens gekommen ist, näher eingegrenzt werden. So gibt es Altstandorte vieler Branchen, bei denen nur im Einzelfall Kontaminationen festgestellt wurden, während andere Branchen regelmäßig als Verursacher von Kontaminationen gelten. Auf der Grundlage von Ergebnissen allgemeiner Untersuchungsvorhaben zu branchentypischen Bodenbelastungen und einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Befragung von Fachverbänden der Wirtschaft sowie den Erkenntnissen aus den inzwischen in großer Zahl abgeschlossenen Gefährdungsabschätzungen wurden z.B. in Land Nordrhein-Westfalen sogenannte Erfassungsklassen abgeleitet /5/. Diese Erfassungsklassen werden im Altlasten-Explorer vor dem Branchennamen angezeigt. So bedeutet beispielsweise die in Abbildung 1 vor dem Branchennamen angegebene Erfassungsklasse eins, daß bei dieser Branche in der Regel ein hinreichender Verdacht naheliegt, das von diesem Altstandort eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht oder künftig ausgehen kann. Bei der Erfassungsklasse zwei sind dagegen für diesen Anfangsverdacht zusätzliche Anhaltspunkte notwendig.

Auf diese Weise läßt sich schnell für einen Standortes abschätzen, ob mit Bodenverunreinigungen zu rechnen ist und wie wahrscheinlich das Auftreten dieser Verunreinigungen ist (generelles Altlastenrisiko).

In Form der Brancheninformationen werden Hinweise auf Belastungsschwerpunkte gegeben. Für den Fall, daß zu einem späterem Zeitpunkt orientierende Untersuchungen (z.B. Probebohrungen) notwendig werden, kann mit Hilfe dieser Hinweise das Meßraster in voraussichtlich unbelasteten Teilbereichen des Grundstücks (ohne Produktionsanlagen) aufgeweitet werden. Das kostenintensive engmaschige Beprobungsraster kann so auf die Teilbereiche des Grundstücks begrenzt werden, auf denen Produktionsanlagen standen, von denen Bodenbelastungen ausgehen können.

Gefährlichkeit potentieller Bodenverunreinigungen abschätzen

Neben dem generellen Risiko muß der potentiell von der Bodenbelastung Betroffene jedoch auch die Gefährlichkeit der Schadstoffe abschätzen. Dieser Schritt ist notwendig, um die Schnelligkeit mit der weitergehende Maßnahmen (z.B. Beauftragung eines Ingenieurbüros mit orientierenden Untersuchungen) eingeleitet werden müssen, bestimmen zu können. Außerdem kann über die potentiell vorkommenden Schadstoffe das Risiko beim Betreten des Grundstücks (Hustenreiz oder Krebs) abgeschätzt werden.

Der Altlasten-Explorer bietet zur Abschätzung der Gefährlichkeit zwei Möglichkeiten. Zum einen kann anhand der (ähnlich der Erfassungsklassen der Branchen) angegebenen Gefährlichkeitsklassen der Schadstoffe nach /6/ die akute und chronische Toxizität sowie Mutagenität und Kanzerogenität eines Stoffes zusammengefaßt abgerufen werden.

Zum anderen kann sich der Anwender mit Hilfe der Schadstoffinfofelder ein eigenes Bild hinsichtlich der Gefährlichkeit eines Stoffes machen. Hierzu sei insbesondere auf das Infofeld "Wirkungen auf die Umwelt" verwiesen (vgl. auch Abb. 2).

Zu den Schadstoffinformationen gelangt man durch den windowstypischen Doppelklick auf den Schadstoff im Schadstoffkataster-Fenster der Branche (vgl. Abb.1) oder durch Auswahl des entsprechenden Menüpunktes. Wenn man den Menüpunkt gewählt hat, kann man sich anhand einer alphabetischen Liste zu 166 altlastentypischen Schadstoffen Informationen anzeigen lassen. Eine Vorauswahl aus dieser Liste ist anhand von Oberbegriffen (z.B. Schwermetalle) oder durch Bestandteile des Namens (z.B. Chlor...) möglich. Ein Beispiel für die stoffbezogene Bildschirmmaske von Benzol zeigt Abbildung 2.

Schadstoffinformationsfeld

Abb. 2: Schadstoffinformationen für den Schadstoff "Benzol" im Altlasten-Explorer

Links neben dem Schadstoffnamen ist die Gefährlichkeitsklasse angegebenen. Die Klasse zwei bei Benzol bedeutet, daß der Wert für die Stoffgefährlichkeit zwischen 0,7 und 0,85 liegt, es sich also nach /6/ um einen sehr gefährlichen Stoff handelt. Außer der Gefährlichkeitsklasse erhält man an dieser Stelle einen Überblick hinsichtlich der im Altlasten-Explorer enthaltenen Informationen zum Schadstoff. Neben chemisch, physikalischen Eigenschaften und nach Umweltmedien getrennt aufgeführten Richt- und Grenzwerten aus über 30 verschiedenen Listen werden hier Hinweise auf das Verhalten des Stoffes im Boden, die Anwendbarkeit möglicher Sanierungsverfahren und sinnvolle Nutzungsbeschränkungen (z.B. Verzicht auf bestimmte Materialien bei der Neubebauung) gegeben.

Umgang mit Sonderfällen

Sofern zwischen der Aufgabe der letzten Nutzung und der Wiedernutzung längere Zeiträume liegen, kann es passieren, daß die Flächen temporär zwischengenutzt werden. Eine typische Zwischennutzung ist z.B. der Betrieb einer Autoreparaturwerkstatt. Bei der Frage des Altlastenrisikos für solche Standorte müssen natürlich alle Nutzungen berücksichtigt werden. Hier bietet der Altlasten-Explorer die Möglichkeit verschiedene Nutzungen auszuwählen und so die Standorthistorie zu berücksichtigen.

Ein Beispiel für die Berücksichtigung möglicher Zwischennutzungen eines Grundstücks, das vormals als "Bahnbetriebs-/Ausbesserungswerk oder Personenwagenabstellbahnhof" genutzt wurde, zeigt Abbildung 3. Für diesen Standort wurden insgesamt drei weitere gewerblichen Nutzungen (Autohof, Kfz-Werkstatt und Schrottplatz) angenommen.

Standorthistorie

Abb. 3: Beispiel für die Möglichkeit zur Berücksichtigung der Standorthistorie mit Hilfe des Altlasten-Explorers

Der Altlasten-Explorer listet die insgesamt potentiell vorkommenden Schadstoffe auf, wobei die direkte Zuordnung zwischen verursachender Branche und Schadstoff möglich ist. Außerdem erhält der Nutzer eine Statistik über die Häufigkeiten der Erfassungs- und Gefährlichkeitsklassen. Hierdurch wird auch bei komplexeren Nutzungsgeschichten eine schnelle Risikoabschätzung ermöglicht.

Analog zur Vorgabe mehrerer Branchen können auch mehrere Schadstoffe vorgegeben werden, so daß bei einer gegebenen Bodenverunreinigungen anhand der nachgewiesenen Schadstoffe auf mögliche Verursacher im Umfeld des Grundstückes geschlossen werden kann.

Zusammenfassung

Mit dem Altlasten-Explorer liegt ein Instrument vor, mit dem es möglich ist, schnell das Altlastenrisiko ehemals gewerblich genutzter Standorte abzuschätzen. Durch die zusammenfassende Bewertung in Form von Erfassungs- und Gefährlichkeitsklassen sowie detailliertere Informationsfelder steht ein Programm zur Verfügung, mit dem sowohl Altlastenlaien wie auch Ingenieurbüros, die mehr an der Vielzahl der im Altlasten-Explorer enthaltenen Richt- und Grenzwerte interessiert sind, zuverlässig arbeiten können.

Literatur:

  1. KINNER, U.; KÖTTER, L.; NIKLAUSS, M.
    "Branchentypische Inventarisierung von Bodenkontaminationen - ein erster Schritt zur Gefährdungsabschätzung für ehemalige Betriebsgelände", UBA-Texte 31/86, Umweltbundesamt, Berlin 1986
  2. LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG
    "Materialien zur Altlastenbearbeitung - Band 3: Branchenkatalog zur historischen Erhebung von Altstandorten", 2. erweiterte Auflage, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe 1993
  3. nähere Informationen: WVI GmbH, e-mail
  4. RAT DER SACHVERSTÄNDIGEN FüR UMWELTFRAGEN: "Altlasten II", Sondergutachten Februar 1995, Verlag Metzler-Poeschel Stuttgart 1995
  5. "Vorläufiges Informationsblatt zur Erfassung von Altstandorten", Anlage 3.4-3, in: Hinweise zur Ermittlung und Sanierung von Altlasten, Min. f. Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes NRW (Hrsg.), Loseblattsammlung, Stand: 3. Ergänzungslieferung Oktober 1993, Düsseldorf
  6. LÜHR, H.-P. et al.: "Stoffgefährlichkeit r0 für die vergleichende Gefährdungsabschätzung von Altstandortverdachtsflächen", Bd. 20 der IWS-Schriftenreihe, Erich Schmidt Verlag, Berlin 1995

Interessante Links:

Altlasten-Explorer

e-mail   f.schroeter@tu-bs.de