Stand: 25. Juni 2008 |
Nachhaltige
(dauerhaft-umweltgerechte) Entwicklung
(sustainable
development)
Nachhaltigkeit, ein Begriff den jeder gut findet und mit dem man sich identifizieren kann. Wie es SCHUMACHER (1997) treffend formuliert: "Die Umweltschützer verstehen darunter die Versöhnung mit der Natur, die Demokraten die Durchsetzung der civil society, die Ökonomen sehen ihren Glauben an das ewige Wachstum bestätigt, die Menschenfreunde erhoffen sich eine bessere Verteilungsgerechtigkeit und die Abkehr vom Konsumwahn und der Amerikanisierung aller Kulturen." Die drei Zieldimensionen der nachhaltigen Entwicklung: Ökologie, Ökonomie und Soziales sind so allgemein gehalten, dass sich jeder damit identifizieren kann und "endlich" ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde.
Sustainable
development, die dauerhaft-umweltgerechte (nachhaltige)
Entwicklung breitet sich zumindest als Forderung seit der
UN-Konferenz für Umwelt und
Entwicklung1992 in
Rio de Janeiro immer mehr aus. Nachhaltige Entwicklung bedeutet vereinfacht, die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs auf ein Niveau, welches die Regenerationsfähigkeit der Ressourcenpotentiale nicht überschreitet. Hierbei sollen die drei Zieldimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales miteinander verknüpft werden (vgl. Abb. 1). Eine nachhaltige Entwicklung ist dann erreicht, wenn die heute lebenden Menschen ihre Bedürfnisse in einer Weise befriedigen, die auch künftigen Generationen die Chance läßt, ihrerseits ihre Bedürfnisse -zumindest auf dem heutigen Niveau- zu befriedigen (Zukunftssicherung für künftige Generationen). |
Abb. 1: Die drei Zielfelder der nachhaltigen Entwicklung (Quelle: Enquete-Kommission, 1/97) |
Wesentlicher Aspekt der nachhaltigen Entwicklung ist somit das Ressourcenmanagement. Ressourcenmanagement, im Sinne der Nachhaltigkeit bedeutet nach D. Fürst, dass:
Der Begriff "Nachhaltigkeit" findet sich seit der Novellierung des Planungsrechts 1998 auch im Baugesetzbuch (BauGB (PDF File, kann mit Hilfe des Acrobat Readers direkt übers Netz aufgerufen, angesehen und ausgedruckt werden.)) und Raumordnungsgesetz (ROG). Das novellierte BauGB schreibt im § 1 (5) jetzt vor, dass die Bauleitpläne (statt der geordneten) eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten sollen. Auch bei der Abstimmung der unterschiedlichen Anforderungen an den Raum und die Vorsorge für die Raumfunktionen und -nutzungen, ist ab 1998 nach § 1 (1) und (2) des neuen ROG die Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung zu berücksichtigen.
Zum "neuen" Prinzip der Nachhaltigkeit
Betrachtet man nur einmal die neun Planungsleitsätze des "alten" § 1 (5) BauGB, so fällt auf, dass die drei Zielfelder gar nicht so neu sind. Hiernach waren (und sind immer noch) bei der Bauleitplanung insbesondere folgende den Zielfeldern der Nachhaltigkeit zuzuordnende Aspekte zu berücksichtigen:
Auch im alten ROG sollten bei der Entwicklung des Gesamtraumes die natürlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten und Erfordernisse beachtet werden. Warum also die "Neuorientierung" auf das Prinzip der Nachhaltigkeit?
Betrachtet man zur Klärung dieser Frage die Hauptforderung einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung: die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, auf ein Niveau, welches die Regenerationsfähigkeit der Ressourcenpotentiale nicht überschreitet, so ist auch dies keine neue Forderung.
Im ROG wurde schon lange gefordert, dass die Entwicklungsmöglichkeit der natürlichen Lebensgrundlagen gesichert und die Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung langfristig offen gehalten werden sollten. Auch im BauGB befindet sich die Forderung, die natürlichen Lebensgrundlagen zu entwickeln.
Aus diesen Formulierungen der beiden Planungsgesetze wurde schon lange die Forderung nach einer Orientierung der Planung am Vorsorgeprinzip und somit der Zukunftssicherung für künftige Generationen, abgeleitet. Einer Forderung, die jetzt im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit wieder aktuell ist.
Fasst man also an dieser Stelle zusammen, so sind weder die Zielfelder noch die Hauptforderung der Nachhaltigkeit neue Aspekte für die räumliche Planung.
Fehlentwicklungen, obwohl die Nachhaltigkeit bereits in der räumlichen Planung verankert ist?
Wie konnte es dann aber beispielsweise dazu kommen, dass:
- die Landschaft immer mehr zersiedelt wird,
- jeden Tag 71 ha neue Siedlungsfläche entsteht,
(vgl. dazu Aktueller Stand der Siedlungs- und Verkehrsfläche (Bodenzähler))
- der motorisierte Individualverkehr mit seinen vielfältigen Umweltbelastungen immer weiter zunimmt,
- die Städte immer unwirtlicher werden,
- die soziale Segregation immer weiter fortschreitet,
- Gewerbebrachen entstehen und wegen Bodenbelastungen nicht wieder genutzt werden,
- etc., etc., etc.
Die Ursachen dieser Entwicklungen liegen jedoch nicht in der fehlenden Implementierung der Nachhaltigkeit in der räumlichen Planung. Vielmehr muss hier die Diskussion in Richtung des Selbstverständnisses des Planers gehen. Steuert der Planer die Bedürfnisse, die zu den oben aufgezeigten Entwicklungen führen, oder reagiert er nur mit seiner Planung?
Für über 50 % der Bevölkerung stellt z.B. ein freistehendes Einfamilienhaus die ideale Wohnform dar (vgl. hierzu auch Einfamilienhäuser im suburbanen Raum). Nun wird niemand behaupten, dass freistehende Einfamilienhäuser dem Prinzip der Nachhaltigkeit entsprechen. Im Gegenteil, die Ausweisung von freistehenden Einfamilienhäuser verstößt sogar gegen die bereits oben angeführten Aspekte der Nachhaltigkeit, die bereits im "alten" BauGB enthalten sind:
- Freistehende Einfamilienhäuser verhindern durch die hohen Baukosten die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung, fördern jedoch die Wirtschaft.
- Freistehende Einfamilienhäuser vernachlässigen die Belange des Umweltschutzes (z.B. sparsamen Flächenverbrauch, geringe Bodenversiegelung, Schutz von Biotopen), gewährleisten aber aufgrund der hohen Anforderungen an die üblicherweise festgesetzten reinen Wohngebiete gesunde Wohnverhältnisse.
- Freistehende Einfamilienhäuser fördern die soziale Segregation in den Innenstädten, entsprechen aber den sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung.
Der Planer soll nun diese Belange berücksichtigen und abwägen, gleichzeitig zeigt die Entwicklung aber auch, dass die (besserverdienende) Bevölkerung abwandert, wenn im Stadtgebiet keine freistehenden Einfamilienhäuser ausgewiesen werden.
Hat der Planer das Recht oder sogar die Pflicht der Bevölkerung ihr Bedürfnis nach freistehenden Einfamilienhäusern mit dem Hinweis auf die "Nicht-Nachhaltigkeit" abzustreiten?
Sind hier nicht die Politiker gefordert, Prioritäten zu setzen?
Ökologisch orientierte Planung - Die Lösung?
Der Weg aus diesem Zwiespalt ist sicher nicht die "ausdrückliche" Verankerung der Nachhaltigkeit im Planungsrecht. Die Redewendung vom "neuen Wein in alten Schläuchen" umschreibt die Situation sehr gut.
Es muss weniger darum gehen, neue Begriffe oder sogar neue Leitbilder zu implementieren, vielmehr muss es darum gehen, die vorhandenen Instrumente sinnvoll anzuwenden. Hier sind die Politiker in den Stadträten gefordert, z.B. ökologische Planungsinstrumente konsequent anzuwenden und den Bürger in seiner Baufreiheit einzuschränken. Die Interessen des Einzelnen müssen zugunsten der Allgemeinheit zurückstehen. Ganz im Sinne der sozialen Komponente der Nachhaltigkeit, damit auch künftige Generationen die Möglichkeit haben, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen.
Nachhaltige Entwicklung bedeutet eben auch:
- Ressourcen, soweit sie nicht regenerierbar sind (wie z.B. der Boden) zu schonen: z.B. durch Festsetzung des Versiegelungsgrades,
- Ressourcenproduktivität zu erhöhen, z.B. durch verdichtete Bauformen (wenigstens Doppelhäuser),
- eingesetzte Ressourcen möglichst lange zu verwenden (Verlangsamung des Ressourcendurchflusses), z.B. durch Berücksichtigung der unterschiedlichen Anforderungen der Generationen
- nicht mehr benötigte Ressourcen nicht vernichten, sondern wieder aufbereiten, z.B. durch Flächenrecycling
- durch Schadstoffe und "Abfälle" die Absorptionskapazität der Umweltmedien nicht zu überfordern, z.B. durch energiesparende Bauweisen.
Die ökologisch orientierte Planung scheint also der richtige Weg zu sein.
Fazit
Nur die rechtliche Verankerung der Nachhaltigkeit wird die Planung nicht umweltverträglicher machen. Gefordert ist (wieder einmal) die konsequente Anwendung der bereits bestehenden Instrumente.
Die Zieldimensionen der Nachhaltigkeit waren bereits im Planungsrecht verankert. Neu ist lediglich der breite gesellschaftliche Konsens für das Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Nachdem die ökologischen Aspekte in den letzten Jahren durch die Bestrebungen zur Planungsvereinfachung und zur schnellen Schaffung von Baurecht immer mehr beschnitten wurden, erfahren sie jetzt als Bestandteil der Nachhaltigkeit eine Renaissance. Es zeigt sich immer mehr, dass der Umweltschutz nicht nur irgendein Leitbild ist, das nach belieben wieder verworfen werden kann, sondern elementarer Bestandteil der Planung.
Es bleibt zu hoffen, dass der ausdrücklich im Planungsrecht verankerte Begriff "Nachhaltigkeit" der Planung hilft, dauerhaft-umweltgerecht zu werden.
... meint das Bundesumweltministerium
Ausführliche Informationen zur Nachhaltigkeit vom BMU
Anlässlich der Vorstellung der Studie: "Nachhaltige Entwicklung in Deutschland - die Zukunft dauerhaft umweltgerecht gestalten" (Feb. 2002) betonte der UBA-Präsident Prof. Dr. Troge: "Eine dauerhaft umweltgerechte Entwicklung in Deutschland ist möglich, ohne die Gesellschaft als ganze zu überfordern oder den Einzelnen unzumutbare Opfer abzuverlangen. Sauertöpfischer Verzicht ist nicht gefragt. Vielmehr: nicht weniger, sondern anders konsumieren."
In diesem Zusammenhang sind auch einige Fakten und Zahlen zu den Auswirkungen unseres Lebensstils interessant, die im Rahmen des Kongresses "Lebenswelten für Morgen", der im Zusammenhang mit der Verleihung des Braunschweig-Preises veranstaltet wurde, genannt wurden (Quelle: Braunschweiger-Zeitung v. 28.Okt.2003, S. 7):
Täglich werden weltweit 50.000 Hektar Tropenwald vernichtet.
Täglich sterben bis zu 100 Tier- und Pflanzenarten aus, werden weltweit 200.000 Tonnen Fisch gefangen.
Täglich werden 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben.
Täglich nimmt das verfügbare Ackerland um 20.000 Hektar ab.
In nur 300 Jahren wurden 33 Prozent der in 300 Millionen Jahren gespeicherten Sonnenenergie durch fossile Brennstoffe freigesetzt.
Jeder Europäer verbraucht in seinem Leben 70 Tonnen Lebensmittel, 12 Millionen Liter Frischwasser, 3 Millionen Kilowattstunden Energie.
Er produziert 225 Tonnen Müll und verbraucht 4.200 Quadratmeter Boden.
Eine Kopie des Lebensstils der 20 reichsten Länder der Welt bedeutet:
5 Milliarden Autos (heute 501 Millionen)
täglich 360 Millionen Fass Öl (heute 60 Millionen)
die Ernte von vier Planeten (bei Übernahme unserer Essgewohnheiten).
20 Prozent der Deutschen halten die Natur für "unberechenbar", 53 Prozent für "tolerant", 4 Prozent für "strapazierfähig" und 23 Prozent für "empfindlich".
12,9 Prozent der Deutschen halten sich nur drei Mal im Monat oder seltener in der freien Natur auf. Bei fast der Hälfte sind es weniger als fünf Stunden in der Woche - den Urlaub bereits eingerechnet.
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