zur Homepage - Dr. Schröter

Stand: 25. Jun 08

Nachhaltiges Wohnen im 21. Jahrhundert
- kostengünstige Passivhäuser -
Exkursionsbericht von
Dr. Frank Schröter

 

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

 

Am 18. Juni 1999 besichtigten 5 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover im Rahmen des Regionalgruppentreffens die Passivhäuser in der Lummerlundsiedlung in Hannover-Kronsberg. Torsten Schwarz, Niederlassungsleiter der Firma Rasch & Partner, Bauen und Wohnen GmbH (-Niederlassung Hannover-, Sticksfeld 108, 30539 Hannover) und Mitglied unserer Regionalgruppe, erklärte sich freundlicherweise bereit unsere Gruppe zu führen.

Die Idee für das Passivhauskonzept wurde vom Büro Rasch & Partner in Kooperation mit den Stadtwerken Hannover entwickelt. Das Konzept der Passivhäuser hatte Manfred Görg (von den Stadtwerken) den Mitgliedern der Regionalgruppe bereits im Rahmen des Regionalgruppentreffens im Juli 1997 (Energieeinsparung in Neubau und Bestand, vgl. RaumPlanung, Nr. 78) vorgestellt, daher waren wir schon gespannt, die Realisierung des ehrgeizigen Projektes mit eigenen Augen begutachten zu können.

Die Siedlung Lummerlund ist Teil des EXPO-Projektes "Ökologische Optimierung Kronsberg", bei dem ein neuer nachhaltiger Stadtteil entstehen soll (vgl. auch die Ausführungen "Rahmenbedingungen am Kronsberg"). Ein Baustein des Projektes ist die energetische Optimierung. Hierzu wird am Kronsberg das Niedrigenergiehaus (NEH) als Standard gefordert. Am Kronsberg verpflichten sich die Bauträger per Kaufvertrag, den Heizwärmebedarfswert von 55 kWh/m2 nicht zu überschreiten. Dieser Wert nach dem Kronsberg-Berechnungsverfahren entspricht etwa 45 kWh/m2 und Jahr nach dem Berechnungsverfahren der gültigen Wärmeschutzverordnung. Der Heizwärmebedarfswert der z.Z. üblichen Niedrigenergiehäuser liegt bei bis zu 70 kWh/m2 und Jahr.

Mit den Passivhäusern in der Siedlung Lummerlund geht das Büro Rasch & Partner noch einen Schritt weiter (Projektdaten vgl.. PHI: Gebaute Passivhäuser / Passivhaus-Projekte). Nach FEIST, dem Leiter des Passivhausinstituts, ist ein Passivhaus ein Gebäude, in welchem durch Effizienzmaßnahmen (passiv) der Einsatz eines separaten Heizsystems überflüssig wird. Voraussetzung dafür ist die Reduzierung des Heizwärmebedarfs unter 15 kWh/(m2a) durch sehr gute Dämmung und Luftdichtheit sowie durch Nutzung der Wärme aus der Abluft, der solaren Einstrahlung und aus internen Wärmequellen. Darüber hinaus soll der gesamte Endenergiebedarf für alle Zwecke (Heizung, Warmwasser, Hausgeräte) 40 kWh/(m2a) nicht überschreiten. (vgl. auch Was ist ein Passivhaus?)

Torsten Schwarz erläuterte die drei zentralen Bausteine, mit denen der Passivhausstandard in Hannover erreicht wurde:

  1. Superdämmstandards
    Die Außendämmung beträgt 40 cm, die Fenster sind dreifachverglast, die Fensterrahmen hochwärmegedämmt.
  2. Lüftungswärmerückgewinnung
    Der zur Wärmerückgewinnung eingesetzte Wärmetauscher gewinnt bis zu 90 % der Wärme aus der Abluft zurück. Bis zu einer Außentemparatur von ca. - 8 °C ist keine Zuheizung erforderlich. Ein weiterer Vorteil der Wärmerückgewinnung liegt darin, daß die Luft ständig frisch ist und sogar für Allergiker (mit einem speziellen Filter) von Pollen gereinigt werden kann. Im Zusammenhang mit der Lüftungswärmerückgewinnung wird den Bewohnern ein Trockenschrank zur Verfügung gestellt, der die Lüftungswärme nutzt und als Ersatz für einen Wäschetrockner gedacht ist. Hierdurch wird gewährleistet, daß die eingesparte Energie nicht durch energieintensive Haushaltsgeräte wieder zunichte gemacht wird. Darüberhinaus werden den Käufern 2.000,- DM erstattet, wenn sie ihre Elektrogeräte durch energiesparende Geräte ersetzen und bestimmte Stromverbrauchswerte nicht überschritten werden.
  3. Passive Solarnutzung
    Durch verschattungsfreie Südorientierung der Hauptbelichtungsflächen wird ein Beitrag von ca. 40 % zur Deckung der verbleibenden Wärmeverluste gewonnen.

Weitere optionale Bausteine sind die solare Warmwasserbereitung und die regenenerative Deckung des Restenergiebedarfs durch Beteiligung an einer Windkraftanlage.

Die Häuser bestehen größtenteils aus vorgefertigten Bauteilen, so daß mit dem Innenausbau bereits nach nur drei Tagen Bauzeit begonnen werden kann. Die Vorfertigung in Fabriken hat (neben den Kostengesichtspunkten) den entscheidenden Vorteil, daß so die hohen Anforderungen an die Verarbeitung der Materialen überprüft werden können (Qualitätssicherung).

 

Beim Regionalgruppentreffen 1997 hatte uns Manfred Görg mit der Idee neugierig gemacht, Energiesparhäusern mit ca. 100 m2 Wohnfläche für 300.000 DM (incl. Grundstück und Erschließungskosten) zu erstellen und so den Baumarkt der Region nachhaltig zu verändern.

In Lummerlund wurden drei Haustypen realisiert:

  1. "Einszweidrei"
    80 m2 Wohn- und Nutzfläche, 170 m2 Grundstück für insgesamt 255.200 DM (ohne Grundstück)
  2. "Jangster"
    105 m2 Wohn- und Nutzfläche, 204 m2 Grundstück für insgesamt 276.200 DM (ohne Grundstück)
  3. "Jangster de Lux"
    130 m2 Wohn- und Nutzfläche, 220 m2 Grundstück für insgesamt 299.700 DM (ohne Grundstück)

Die Grundstückskosten betragen (incl. Erschließung) 528 DM/m2. Das Ziel (100 m2 Wohnfläche für 300.000 DM) wurde somit nur erreicht, wenn man die Grundstückskosten außen vor läßt. Hierbei muß man jedoch berücksichtigen, daß der höhere baukonstruktive Aufwand eines Passivhauses nahezu vollständig abgefangen werden konnte und Lummerlund so aufzeigt, daß energiesparendes Bauen kostenneutral im Vergleich zu konventionellen Bauweisen realisierbar ist. Finanzierungsbeispiele von Torsten Schwarz zeigen darüber hinaus, daß eine Familie mit zwei Kindern (bei 50.000,- DM Eigenkapital) für den Typ "Jangster" auf eine monatliche Belastung von ca. 1.000,- DM kommt (incl. aller staatlichen Zuschüsse). Die Belastung hält somit dem Vergleich mit einer Mietwohnung in ähnlicher Größe stand.

Bei der monatlichen Belastung müssen außerdem die sehr geringen Heizkosten berücksichtigt werden. Nach Aussage von Torsten Schwarz beträgt in den Passivhäusern der Lummerlund-Siedlung die Heizperiode lediglich vier Wochen im Jahr. Die Heizkosten belaufen sich damit auf ca. 7 bis 8 DM/Monat. In herkömmlichen Niedrigenergiehäusern beträgt die Heizperiode dagegen vier Monate.

Die niedrigen Baukosten wurden durch die Reduzierung des Baustandards erreicht, ohne das der Komfort leiden mußte. Insbesondere zu nennen ist hierbei die Verwendung von Fertigteilen. So wurden beispielsweise die kompletten Sanitärzellen (incl. Fliesen und aller Sanitärobjekte) in der Fabrik erstellt und als Fertigteil vor Ort eingebaut. Aber auch in anderen Bereichen lassen sich Einsparungen erreichen, so bei den Elektroinstallationen. Hier wurde auf den Deckenanschluß für die Lampe zugunsten von Steckdosen verzichtet. Außerdem wurden Elektroleitungen in die Fußleisten integriert, d.h. der Kabelkanal hat die Funktion einer Fußleiste.

 

Die Besichtigung der unterschiedlichen Haustypen machte deutlich, das kostengünstiges Bauen keine Einbußen beim Komfort bedeuten muß. Die Raumaufteilung und Innenausstattung ist mit "normalen" Reihenhäusern vergleichbar. Etwas gewöhnungsbedürftig ist der durch die massiven Betonfertigteile hervorgerufene erste Eindruck der Passivhäuser. Allerdings war die Siedlung bei unserem Besuch noch nicht fertiggestellt, teilweise fehlten noch Außenanstriche und die Außenanlagen fehlten vollständig. Die von Torsten Schwarz gezeigten Skizzen zum geplanten Endzustand ließen jedoch erahnen, daß die Siedlung Lummerlund einmal einer der attraktivsten Teile des neuen nachhaltigen Stadtteils Kronsberg in Hannover werden könnte.

Der Exkursionstermin im Jahr 2001 (nach der EXPO) ist schon vorgemerkt (und von Torsten Schwarz genehmigt)!

 

Rahmenbedingungen am Kronsberg

Bericht von der Informationsveranstaltung "Wohnen im 21. Jahrhundert" der Stadt Hannover (Baudezernat / Jahr 2000 Planungsgruppe Weltausstellung) am 9. Juni 1999 in Hannover-Kronsberg.

Der Kronsberg liegt südöstlich von Hannover in unmittelbarer Nähe des EXPO-Geländes (Karte der Region Hannover). Hier sollen bis zur EXPO 3.000 Wohneinheiten (2.700 im Geschoßwohnungsbau und 300 in Reihenhäusern) fertiggestellt werden. Damit ist die Hälfte der insgesamt vorgesehenen Fläche von 140 ha bebaut. Zu einem späteren Zeitpunkt können weitere 3.000 Wohneinheiten realisiert werden.

Der Stadtteil soll in städtebaulicher, ökologischer und sozialplanerischer Hinsicht beispielhaft sein. Er wird damit selbst zum Exponat der Weltausstellung. Damit generell praktikable Lösungen entstehen, die auch auf andere Wohngebiete übertragbar sind, wurde das Konzept "Ökologische Optimierung Kronsberg" erarbeitet, welches aus folgenden fünf Bausteinen besteht:

  1. Energiekonzept
  2. Wasserkonzept
  3. Abfallkonzept
  4. Ökologisches Bodenmanagement
  5. Kronsberg-Umwelt-Kommunikations-Agentur GmbH (KUKA)

Zunächst sollte das Gebiet als städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beschlossen werden. Da sich jedoch bereits im Vorfeld herausstellte, daß zum einen das konkrete öffentliche Interesse schwer nachweisbar sein dürfte und zum anderen die Eigentümer nur teilweise am Verkauf ihrer Grundstücke interessiert waren, hat man angesichts dieser Probleme auf eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme verzichtet.

 

Der neue Stadtteil zeichnet sich insbesondere durch folgende Aspekte aus:

Erschließung:

Freiraum:

Sozialplanung:

Bebauungsplan:

Energiekonzept:

 

Die geplante Mischung von Wohnen und Arbeiten, durch die Aufnahme von Gewerbebetrieben, war aufgrund der Bauträger (Wohnungsbaugesellschaften) nicht durchsetzbar. In der Nähe des Wohngebietes (auf der anderen Stadtbahnseite) wurden jedoch 2.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Um die rasche Umsetzung des Baugebietes zu gewährleisten, wurden spezielle Zuschüsse gewährt:

Die gesetzlich vorgeschriebene Bürgerbeteiligung wurde erweitert um:

Hierbei hat sich gezeigt, daß das Beteiligungsverfahren durch die vorinformierten Bürger schneller abgewickelt werden konnte.

Das Image des neuen Stadtteils in Hannover kann als sehr gut bezeichnet werden, dies zeigt sich auch daran, daß 70 % der Wohnungen bereits vor Bezugsfertigstellung vermietet waren.

 

Interessante Links:

 

e-mail   f.schroeter@tu-bs.de