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Stand: 25. Jun 08

Sanierungsgebiet historische Innenstadt in Wolfenbüttel
- Sanierung mit Herz -
Exkursionsbericht von
Dr. Frank Schröter

 

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

 

Am 09. April 1999 besichtigten 5 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover im Rahmen des Regionalgruppentreffens das Sanierungsgebiet "Historische Innenstadt Wolfenbüttel" in der Stadt Wolfenbüttel. Herr Seelig, Leiter des Stadtplanungsamtes, erklärte sich freundlicherweise bereit unsere Gruppe zu führen.

Herr Seelig begann seine Führung mit einem sehr interessanten Abriß der historischen Entwicklung der Stadt Wolfenbüttel und leitete dann über in die "Historie" der seit 20 Jahren laufenden Sanierung. Die Sanierung begann 1974 mit den vorbereitenden Untersuchungen. Im April 1978 wurde dann das Sanierungsgebiet "Historische Innenstadt Wolfenbüttel" in einer Größe von 52,5 ha festgelegt. Bis 1980 wurden jedoch im wesentlichen Tiefbauarbeiten ausgeführt.

Wolfenbüttel hat bereits 1974 das Ziel einer behutsamen Sanierung verfolgt und somit schon aus den negativen Erfahrungen gelernt, die andere Städte (z.B. Hameln) mit einer Flächensanierung (und dem flächendeckenden Abriß alter Häuser) gemacht hatten. Erklärtes Ziel der Sanierung war es von Anfang an, nur mit dem Bürger (auf freiwilliger Basis) zu sanieren. Dies galt insbesondere für die zahlreichen denkmalsgeschützten Gebäude in der Innenstadt. Man ging im Rat und in der Stadtverwaltung davon aus, daß ein Denkmal langfristig nur erhalten werden kann, wenn der Bürger den Schutz des Gebäudes (und die Nutzungseinschränkungen) einsieht und eine wirtschaftlich tragbare Lösung für die Nutzung und Sanierung gefunden werden kann. Hierzu muß die Denkmalpflege auch zu Kompromissen bereit sein. Insgesamt konnte dies in Wolfenbüttel durch eine enge Zusammenarbeit von Sanierungsstelle, Denkmalpflege und Baugenehmigungsbehörde erreicht werden.

Im Mai 1981 wurde der Ratsbeschluß über den Sanierungsrahmenplan gefaßt, der auch Leitbilder mit den Zielsetzungen der Sanierung festschreibt. Diese Leitbilder für die Sanierung, werden auch von Gerichten (z.B. OVG Lüneburg) in Streitfällen (z.B. über die Genehmigung von Vergnügungsstätten) als Satzung anerkannt. Mittlerweile wurde aber auch ein einfacher Bebauungsplan verabschiedet, der die Art der baulichen Nutzung festsetzt.

In der Hauptphase der Sanierung beschäftigten sich ca. 10 Personen mit der Abwicklung der Sanierung. Hiervon gehörten allerdings nur vier Personen zur Sanierungsstelle der Stadt, die anderen sechs Personen waren beim Sanierungsträger Neue Heimat (Deutsche BauBeCon AG) angestellt. Inzwischen beschäftigt sich, außer Herrn Seelig, nur noch eine Person ausschließlich mit der Sanierung.

Anfang der achtziger Jahre (am Beginn der Sanierung) wurden, um den Eigentümern den Abschluß von Modernisierungsverträgen schmackhaft zu machen, bis zu 80 % Zuschüsse gewährt. Diese Maßnahme führte dazu, daß Mitte der 80‘er Jahre bereits Wartelisten auf eine Förderung existierten. Im Durchschnitt betrug die Förderung im Laufe der Jahre jedoch "nur" 40 %. In den letzten Jahren wurden die von Bund und Land zur Verfügung gestellten Fördermittel immer weiter reduziert. So konnten im wesentlichen nur noch bereits begonnene Projekte zu Ende geführt werden. Im Jahr 1998 wurden keine neuen Mittel mehr bereitgestellt. Daher werden z.Z. nur sogenannte "Null-Verträge" mit Sanierungswilligen abgeschlossen. Bei diesen Modernisierungsverträgen erhält der Eigentümer eine Bescheinigung von der Stadt, daß er eine Sanierung des Gebäudes entsprechend den Auflagen der Stadt durchgeführt hat. Diese Bescheinigung kann er dann beim Finanzamt vorlegen und so die Kosten der Sanierung von der Steuer absetzen.

Insbesondere in der Anfangszeit der Sanierung ergaben sich bei der Sanierung von Fachwerkbauten Probleme. Aus historischen Gründen wurde gefordert, die vorhandenen Fachwerke ganzflächig zu übermalen. Dies begründet sich aus der Tatsache, daß man früher nicht zeigen wollte, daß man sich kein Steinhaus leisten konnte und daher das Fachwerk einfach übermalt hat. In der Neuzeit wollten die Bürger allerdings das Fachwerk hervorheben, so daß die Forderung der Denkmalpflege nach ganzflächigem Anstrich des Fachwerkes, zunächst zu Unverständnis führte.

Die Berücksichtigung historischer Elemente führte auch bei der Straßenraumgestaltung zu "einschränkenden" Rahmenbedingungen. Hier sind insbesondere zu nennen:

Da die Straßen nicht "orginal mitteralterlich" waren und die Bordsteine später hinzugekommen sind, sollten die Bordsteine auch weiterhin erhalten bleiben, um den Straßenverlauf und die Trennung zwischen Straße und Fußweg zu verdeutlichen.

Pflasterung der Fußwege am Straßen- und Gebäuderand, jedoch Plattenbelag im Mittelteil der Fußwege, um allen Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden (Stichwort: Begehbarkeit mit Stöckelschuhen).

Verzicht auf Bäume im Straßenraum, da es in der Gründerzeit keine Bäume im Straßenraum gab.

 

Die Motivation zur privaten Sanierung wurde auch durch die Beteiligung der öffentlichen Hand an der Sanierung (mit entsprechenden Investition) gefördert. So wurde z.B. das Rathaus aufwendig saniert. Zunächst sollten lediglich im Ratskeller für ca. 400.000,- DM einige Schönheitsreparaturen durchgeführt werden. Im Laufe der Arbeiten zeigten sich jedoch zahlreiche Details (z.B. überdeckte historische Fenster, Balkenmalerei), die ein Gesamtkonzept erforderten. Hinzu kamen statische Probleme, so daß sich die Sanierung über den Nordflügel und die Ratswaage nach und nach auf das gesamte Rathaus ausdehnte und am Ende 25 Millionen DM gekostet hat (hiervon sind 9 Mill. DM Fördermittel von Bund und dem Land Niedersachsen aus dem Strukturhilfeprogramm). Allerdings kann sich das Ergebnis auch sehen lassen.

Eine Besonderheit des historischen Stadtgrundrisses in Wolfenbüttel ist es, daß keine Straße ins Leere verläuft. Jede Straße findet ihren Abschluß. Dieser historische Grundsatz wurde auch bei Neuplanungen beachtet, so daß der historische Straßengrundriß bis heute erhalten wurde (mit Ausnahme von zwei Straßenerweiterungen).

Ein Sanierungsschwerpunkt war die südliche Heinrichstadt. Für diesen Bereich zeichnete sich vor der Sanierung ab, daß es zu einer Verfestigung "einseitiger Bevölkerungsstrukturen" kommen würde. Nach erfolgreicher Sanierung ist dieser Bereich der Stadt kein "Schandfleck" mehr, sondern eine der guten Adressen in Wolfenbüttel. Neben der schlechten Bausubstanz waren die fehlenden Parkplätze ein weiteres Problem dieses Stadtteils. Durch den Ankauf von Flächen konnte ein neuer Durchgang zu den Wallanlagen geschaffen werden, wo Stellplätze für die Anwohner zur Verfügung gestellt werden konnten.

Als Ergebnis der Sanierung hat sich gezeigt, daß eine öffentliche Mark zu Investitionen von ca. vier Mark führt. Bis zum 31.12.1997 wurden 75 Millionen DM Fördermittel eingesetzt, davon 38,5 Millionen als Zuschüsse zu privaten Modernisierungsmaßnahmen. Die Fördermittel für private Modernisierungsmaßnahmen führten einschließlich der privatfinanzierten Mittel und der notwendigen Neubau-Ergänzungsmaßnahmen zu einem Investitionsvolumen von ca. 117,5 Millionen DM.

Mittlerweile werden bereits die ersten Grundstücke (auf Antrag) aus dem Sanierungsgebiet entlassen. Die Stadt Wolfenbüttel erhebt hierfür Ausgleichsbeiträge nach dem BauGB. Allerdings fallen diese relativ gering aus, da der Gutachter die Bodenwertsteigerungen niedrig angesetzt hat. Die höchsten Einzelbeträge lagen bisher zwischen 50.000 und 60.000 DM.

Die Sanierung der historischen Innenstadt in Wolfenbüttel ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie durch eine behutsame Sanierung die Qualität innerstädtischen Wohnens erhalten und gestärkt werden konnte. Insgesamt lädt die Stadt Wolfenbüttel, nicht nur bei einer der zahlreichen Veranstaltungen in der Innenstadt, zu einem Spaziergang ein.

Ein Besuch in Wolfenbüttel lohnt sich, zur Orientierung hier der Stadtplan von Wolfenbüttel

 

e-mail   f.schroeter@tu-bs.de