Stand: 25. Jun 08 |
Sozialer
Wohnungsbau in Braunschweig
Exkursionsbericht
von
Dr.
Frank Schröter
Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet. |
Am 14. April 1997 besichtigten 11 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/ Hannover im Rahmen des vierteljährlich stattfindenden Regionalgruppentreffens eine Anlage des sozialen Wohnungsbaus in der Peenestraße in Braunschweig. Diese Anlage, mit einer Gesamtfläche von 20.506 m2, wurde 1995 von der Nibelungen Wohnbau GmbH aus Braunschweig fertiggestellt. Hier wurden in 5 Jahren (in 5 Bauabschnitten) in 21 vier- bis sechsgeschossigen Gebäuden 246 Mietwohnungen (überwiegend zwei und drei Zimmer) geschaffen, die über 600 Bewohnern (incl. ca. 200 Kindern) Wohnraum bieten. Herr Ortgies, der technische Leiter der Nibelungen Wohnbau GmbH, erklärte sich freundlicherweise bereit unsere Gruppe zu führen.
Die Anlage ragt in vielen Dingen aus dem Einerlei (schnell und billig) des sozialen Wohnungsbaus heraus. Die Nibelungen Wohnbau GmbH hatte 1985 für die Anlage einen städtebaulichen Wettbewerb ausgeschrieben, u.a. mit dem Ziel ein Bebauungskonzept mit hervorragenden stadträumlichen Qualitäten zu schaffen. Das Ergebnis war so gut, daß die Anlage in die Schlußrunde für die Verleihung des niedersächsischen Staatspreises kam. Den ersten Preis bekam dann jedoch leider ein zum Wohnhaus umgebautes Parkdeck. Das Besondere der Wohnanlage Peenestraße sieht man an architektonischen Details, wie z.B. dem Kragdach statt dem abrupt abschließenden Flachdach oder einer Holzkrempe für die oberen Geschosse. Auch wurden praktische Details, wie verkleidete Abstellkammern auf den großzügigen Freisitzen, nicht vergessen. Die Baukosten lagen mit 22,9 Mill. DM (3.500,- DM/m2 Wohnfläche) trotzdem im Rahmen des üblichen.
Auch ökologische Aspekte wurden beim Bau der Anlage berücksichtigt. Autos werden durch eine übergrünte Tiefgarage (mit 250 Einstellplätzen) aus den Innenhöfen verbannt, die so ganz für die Nutzung durch die Bewohner und deren Kinder zur Verfügung stehen. Die Dächer wurden extensiv begrünt und das gesamte in der Wohnanlage anfallende Regenwasser wird gesammelt und zur Bewässerung der Freiflächen verwandt. Eine flächensparende Bauweise wurde dadurch erreicht, daß die Solitäre, deren Geschosse als Staffelgeschosse ausgebildet wurden, auf dem Grundstück so geschickt angeordnet wurden, daß die nach LBauO notwendigen Abstandsflächen optimiert wurden. Der Energieverbrauch der Wohnungen wird über einen Fassaden-Dämmputz reduziert.
Da sich eine Familie freundlicherweise dazu bereit erklärte, hatten wir auch die Möglichkeit, die Wohnungen von innen zu besichtigen. Praktisch geschnittene Wohnungsgrundrisse mit 70 bis 80 m2 ausreichend für eine Familie mit Kindern und einen schönen Blick vom Freisitz auf grüne Innenhöfe mit spielenden Kindern und den angrenzenden Westpark. Die Miete liegt mit 8,00 bis 9,80 DM/m2 (zzgl. Nebenkosten) deutlich unter dem Braunschweiger Mietspiegel, der für Wohnungen in dieser Wohnlage 13,15 bis 14,55 DM/m2 (zzgl. Nebenkosten) vorsieht. Sicher mit ein Grund dafür, daß sich die Bewohner in dieser Anlage wohl fühlen. Auch ablesbar an der Tatsache, daß keine Schmierereien oder Graffitis an den Hauswänden zu sehen sind.
Insgesamt ein gelungenes Beispiel für sozialen Wohnungsbau! Die Mitglieder der IfR-Regionalgruppe konnten eine Reihe von Anregungen für ihre tägliche Arbeit mitnehmen. Hier schließt sich die Hoffnung an, daß die für den 4. Juli 1997 in Hannover geplante Exkursion der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover zum Thema "Energieeinsparung in Neubau und Bestand (Niedrigenergiehäuser, Passivenergiehäuser, Altbaumodernisierungen)" auch wieder viele Anregungen für die tägliche Arbeit bietet.
Während der Führung durch die Siedlung teilte uns Herr Ortgies auch einige seiner Erfahrungen mit dem Wohnungsbau bzw. der Planung von Wohnanlagen mit, die sicher für viele Planer interessant sein dürften:
- Hauswart
Durch die Unterbringung eines Hauswartes, der kleine Reparaturen sofort durchführt, steigt die Wohnzufriedenheit. Es ist immer jemand da, den man kennt und den man ansprechen kann. Schwierige schriftliche oder telefonische Kontakte mit der anonymen Wohnbaugesellschaft entfallen weitgehend. Mittlerweile nimmt der Hauswart z.T. schon sozialarbeiterische Funktionen war. Allerdings ist der Erfolg dieser Maßnahme sehr von der Person des Hauswartes abhängig.- Helle Flure
Die helle, freundliche und großzügige Gestaltung der Flure erhöht die Identifikation mit dem Wohngebäude und führt zu weniger Zerstörung und Beschädigung innerhalb der Flure. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die großen Fensterflächen.- Wegeführung
Bei der Wegeführung sollte man unbedingt das menschliche Verhalten berücksichtigen. Rechtwinkelige Wege, welche die kürzere diagonale Strecke vernachlässigen, führen nur zu zusätzlichen Trampelpfaden. Vielleicht sollte man die Wegeplanung erst abschließen, wenn die Bewohner sich nach dem Einzug ihre Wege "getrampelt" haben.- Müllcontainerstandorte
Die Standorte von Müllcontainern sollten so gewählt werden, daß sie in Richtung der Hauptwegebeziehungen liegen. In der Anlage ergab sich lange Zeit das Problem, daß die Müllbehälter eines Standortes (am Gebietsrand) nahezu leer waren, die eines anderen Standortes (am Hauptweg Richtung Innenstadt) dagegen überquollen. Die Nachfrage bei den Bewohnern ergab, daß der Standort am Gebietsrand nicht angenommen wurde, weil er einen Umweg bzw. zusätzlichen Weg darstellte, während die Müllentsorgung am Standort am Hauptweg nebenbei erledigt werden konnte.- Tiefgarage
So schön eine Tiefgarage ist, um eine kostendeckende Ausnutzung zu gewährleisten, müssen die kostenlosen Stellplätze im Straßenraum reduziert werden. In der Peenestraße gibt es etliche Leerstände in der Tiefgarage, weil alternativ genügend kostenfreie Abstellmöglichkeiten im Straßenraum vorhanden sind.- Anpflanzungen
Bäume und Büsche sollten möglichst frühzeitig gepflanzt werden. Sofern die Gestaltung der Grünbereiche die letzte Bauphase darstellt, kann es passieren, daß die Bewohner auf andere (evtl. schon überlastete) Freiräume ausweichen und die geplanten Freiräume erst mühsam für die Bewohner erschlossen werden müssen. Auch Windschutzpflanzungen sollten, wenn sie ihrem Namen gerecht werden sollen, möglichst vor Baubeginn gepflanzt werden.- Altersbezogene Freiräume
Bei den altersbezogenen Freiräumen gibt es eine Lücke für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Während für die 1- bis 6jährigen und 6- bis 12jährigen Spielplätze vorhanden sind und die über 18jährigen aufgrund ihrer größeren Mobilität auch weiter entfernt liegende Freiflächen nutzen können, fehlen für die 12- bis 18jährigen entsprechende Freiräume. Durch die z.T. lärmintensiven Freizeitsportarten die von Jugendlichen dieser Altersgruppe betrieben werden (z.B. Skateboard, Inline-Skating) kommt es immer wieder zu sozialen Konflikten mit anderen Bewohnern. Im Nachhinein erweist es sich als sehr schwierig, Flächen entsprechend den Bedürfnissen dieser Altersgruppe herzurichten. Die hieraus resultierenden sozialen Probleme können derartige Ausmaße annehmen, daß eigens Sozialarbeiter (Streetworker) zur Konfliktminimierung eingestellt werden müssen. Als kurzfristige Lösung würde sich hier evtl. die Öffnung von Schulhöfen anbieten. Zu klären bleibt die Frage, wer solche Flächen aufräumt und inwieweit versicherungsrechtliche Probleme durch die Nutzung auftreten.