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(Rechtshinweis)

Stand: 25. Juni 2008

Herbstvortrag 2006


Die Herbstvorträge sind eine Vortragsreihe, die jedes Jahr von der IfR-Regionalgruppe Braunschweig/Hannover in Braunschweig veranstaltet werden. Die Teilnahme an den Vorträgen ist in der Regel kostenlos.

Bild des Ankündigungsplakats zum IfR-Herbstvortrag 2006

"Effiziente Grundstücksentwicklung
durch Gründung eines kommunalen Eigenbetriebs!?“

- Ein Erfahrungsbericht -

Bernd Wiesner, IfR
(Stadt Salzgitter, Eigenbetrieb Salzgitter Grundstücksentwicklung)

Gliederung

  1. Einführung

  2. Rechtliche Grundlagen

  3. Situation der Stadt Salzgitter

  4. Grundstücksentwicklung unter veränderten Rahmenbedingungen

  5. Fazit

  6. Literaturhinweise

 

Einführung

Zum 31. Dezember 2004 wurde der Eigenbetrieb Salzgitter Grundstücksentwicklung gegründet. Ziel der Gründung des Eigenbetriebs war – neben organisatorischen und finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten – die Schaffung von günstigen Wohnbauplätzen. Nach fast zwei Jahren Tätigkeit des Eigenbetriebs soll eine erste Zwischenbilanz gezogen und zur Diskussion über das Thema angeregt werden.

Insbesondere vor dem Hintergrund der Kommunalwahl im September und dem mancherorts damit verbundenen Wechsel der Mehrheitsverhältnisse bzw. des Oberbürgermeisters / der Oberbürgermeisterin soll zur Diskussion angeregt werden, ob der in Salzgitter eingeschlagene Weg der Verwaltungsmodernisierung auch für andere Kommunen interessant sein kann, um in Zeiten knapper Kassen effektiv Bauland auszuweisen. Hierbei geht es jedoch nicht nur um die Frage, welche Organisationsformen in Betracht kommen, sondern auch darum, welche Folgen die in Salzgitter vorgenommenen Umstrukturierungsmaßnahmen auf die Stadtplanung und den Städtebau haben.

 

Rechtliche Grundlagen

Die wesentlichen, rechtlichen Grundlagen für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden finden sich in Niedersachsen in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) sowie in der Eigenbetriebsverordnung (EigBetrVO). Hiernach dürfen Gemeinden nur dann Unternehmen errichten, wenn und soweit

  1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,
  2. die Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und zum voraussichtlichen Bedarf stehen,
  3. der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann. (§ 108 Abs. 1 NGO)

Darüber hinaus ist in § 108 Abs. 2 NGO geregelt, dass diese Unternehmen in folgenden Rechtsformen geführt werden können:

  1. als Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Eigenbetriebe),
  2. als Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren sämtliche Anteile den Gemeinden gehören (Eigengesellschaften)
  3. als kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts.

Der Eigenbetrieb verfügt demnach über keine eigene Rechtspersönlichkeit und bleibt somit weiterhin Teil der Verwaltung (vgl. Abb. 1). Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen finden sich in § 113 NGO bzw. in der Eigenbetriebsverordnung. Danach werden Eigenbetriebe von der Gemeinde als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt. Die Leitung des Eigenbetriebs erfolgt selbständig durch den Werksleiter, jedoch ist der Oberbürgermeister dem Werksleiter gegenüber weiterhin weisungsbefugt.

Einordnung des Eigenbetriebs (EB) in die Verwaltungsstruktur der Stadt Salzgitter
Abb.1  Einordnung des Eigenbetriebs (EB) in die Verwaltungsstruktur der Stadt Salzgitter

Eigengesellschaften hingegen verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit. In der Regel werden sie als GmbH geführt, aber auch andere Formen sind möglich. Das bedeutet vor allem, dass eine Eigengesellschaft wirtschaftlich selbständig tätig werden kann. Die Einflussmöglichkeiten der Verwaltung bzw. der Politik sind dabei deutlich geringer als beim Eigenbetrieb.

 

Situation der Stadt Salzgitter

Die Stadt Salzgitter liegt im Südosten Niedersachsens und hat eine Fläche von ca. 224km², bei ca. 108.000 Einwohnern und 31 Stadtteilen. Der größte Stadtteil (Salzgitter-Lebenstedt) hat etwa 45.000 Einwohner, also weniger als die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig ist Salzgitter einer der führenden Industriestandorte in Niedersachsen, insbesondere in den Bereichen Stahl und Fahrzeugbau. Diese starke industrielle Prägung der Stadt trägt – neben anderen Faktoren – zu einem Image-Problem der Stadt bei. Insbesondere wird die Stadt in der Region als wenig attraktiver Wohnstandort angesehen. Als Indiz dafür kann ein deutlicher Einpendlerüberschuss herangezogen werden.

Eines der Hauptprobleme Salzgitters ist – abgesehen von einer hohen Arbeitslosig­keit und einer hohen Verschuldung der öffentlichen Hand – der stetige Rückgang der Bevöl­kerung. Lag die Bevölkerungszahl in den 80er Jahren noch bei etwa 125.000 Einwohnern so ist die Grenze von 110.000 Einwohnern inzwischen deutlich unterschritten worden. Zurzeit verliert die Stadt Salzgitter etwa 1.000 Einwohner pro Jahr. Prognosen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2015 die Grenze von 100.000 Einwohnern unterschritten wird, was gleichbedeutend mit dem Verlust des Status einer Großstadt ist. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken wurde ein sog. „Wohnbaulandprogramm“ beschlossen.

Vor diesem Hintergrund wurde zum 31.12.2004 der Eigenbetrieb Salzgitter Grundstücksentwicklung gegründet. Laut seiner Betriebssatzung nimmt der Eigenbetrieb für die Stadt Salzgitter die Aufgaben Ankauf von Grundstücken, Erstellung von Bebauungsplänen, Bodenordnung, Erschließung und Grundstücksvermarktung für Zwecke der Wohnbaulandentwicklung war. Er ist zentrale Servicestelle der Stadt Salzgitter für Grundstücksbewirtschaftung und –verkehr, Vorkaufsrecht, Verpachtung, Vermessung, Bewertung des Immobilienvermögens, Bereitstellung von Geobasisdaten und Aufgaben der Wohnungsbauförderung.

Diese recht eigenwillige Zusammenstellung von Aufgaben erklärt sich daraus, dass der Eigenbetrieb Salzgitter Grundstücksentwicklung aus dem ehemaligen Vermessungs- und Liegenschaftsamt heraus gebildet und um Mitarbeiter aus dem Stadtplanungsamt, dem Amt für Wirtschaft und Statistik sowie der EDV-Abteilung ergänzt wurde.

 

Grundstücksentwicklung

Der Eigenbetrieb sieht seinen Tätigkeitsschwerpunkt in der Versorgung der Bevölkerung mit Bauland, wobei das „Wohnbaulandprogramm“ der Stadt Salzgitter als Grundlage dient. Hierbei tritt er nur teilweise als unmittelbare Konkurrenz zu privaten Erschließungsträgern (auch diese sind weiterhin in Salzgitter tätig) auf, sondern sieht sich in vielen Fällen als Ergänzung. Gerade die Entwicklung solcher Baugebiete, die für private Erschließungsträger mit erheblichen finanziellen Risiken behaftet bzw. voraussichtlich unwirtschaftlich sind, macht einen erheblichen Arbeitsanteil aus. Häufig handelt es sich bei diesen Baugebieten auch Bereiche, in denen aus anderen Gründen eine städtebauliche Entwicklung forciert werden soll.

Ziel: Verkauf von voll erschlossenem Bauland zu einem marktgerechten Preis

Mit der Gründung des Eigenbetriebs war auch der Wunsch verbunden, die Erschließung und Vermarktung von Wohnbauland für die Stadt kostenneutral zu gestalten. Bedingt durch die Nachfragesituation und die Preisentwicklung für Wohnbauplätze ist aber der Aspekt der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnbauland in den Vordergrund getreten. Entscheidend dabei ist der Preis je Quadratmeter Nettobauland und nicht der damit möglicherweise zu erzielende Gewinn. Folgende Punkte werden dabei beachtet, um die Kosten zu optimieren:

Die Senkung der Kosten für die Baugebiete stellt ein wesentliches Element in der Arbeit des Eigenbetriebs dar. Die hier verwendeten Maßnahmen sind aber nichts grundsätzlich Neues, sondern bereits an anderer Stelle erprobt. Grundsätzlich gilt, dass an den großen Kostenpunkten auch die größten Einsparungen zu erzielen sind. Lässt man die Personalkosten außer Acht, so sind erfahrungsgemäß, bezogen auf den Quadratmeter Nettobauland inkl. Erschließungskosten, Grunderwerb und die Erschließungskosten (insb. Straßenbau und Kanalbau) die größten Punkte. Sonstige Kosten, wie beispielsweise die erstmalige Herstellung von Lärmschutzanlagen und Grünflächen, Ingenieurkosten (z.B. Bauleitplanung, Vermessung), Gutachten, sind von vergleichsweise geringer Bedeutung (vgl. Abb. 2).

Diagramm Verhältnis der Kosten für ein Baugebiet zueinander
Abb.2  Verhältnis der Kosten für ein Baugebiet zueinander

Da der Grunderwerb weitgehend Verhandlungssache ist, lässt er sich mit den Mitteln der Stadtplanung nur schwer beeinflussen. Anders sieht es mit den Erschließungskosten aus. Hierbei lässt sich insbesondere der Straßenbau gut beeinflussen. Die Thematik, wie sich die Kosten für die Herstellung der Erschließungsanlagen reduzieren lassen, ist auch an mehreren Stellen in der Fachliteratur dargelegt worden. In Salzgitter werden derzeit folgende Möglichkeiten diskutiert: Reduzierung der Querschnitte (Ausbau der Straßen nach dem Mischungsprinzip statt nach dem Trennungsprinzip), Anlage von Wohnwegen und Verwendung von privaten Erschließungen in zweiter Reihe.

Bei der Phase der Umsetzung übernimmt der Eigenbetrieb nur eine koordinierende Funktion. Auf Grundlage eines Kontrahierungszwangs werden die Straßen- und Kanalbaumaßnahmen ausschließlich durch den Fachdienst Tiefbau sowie die Abwasserentsorgung Salzgitter GmbH betreut. Da diese beiden Stellen anschließend die Straße und den Kanal in ihre Verwaltung übernehmen, werden alle Qualitätsstandards auch von dort vorgegeben.

Den Abschluss eines jeden Projekts bildet die Vermarktung. Hierbei ist Preisgestaltung gem. § 40 Abs. 1 NGO weiterhin dem Rat der Stadt vorbehalten, sodass von Seiten des Eigenbetriebs lediglich Vorschläge unterbreitet werden können. Erstmalig besteht jetzt aber die Möglichkeit abzuschätzen, welche Kosten durch das Baugebiet entstanden sind und ob der einzelne Bauplatz in Planung und Erschließung nicht mehr gekostet hat, als er hinterher beim Verkauf einbringt. Für die eigentliche Vermarktung wird Werbung betrieben (Presse, lokale Baumessen, Info­veranstaltungen). Die Baugebiete werden darüber hinaus auf der Homepage der Stadt Salzgitter präsentiert (www.salzgitter.de). Gleichzeitig sind hier Informationen über die Verfügbarkeit, die Größe und den Kaufpreis der Baugrundstücke hinterlegt (vgl. Abb.3).

Screenshot aus dem Internet, Informationen zur Bauplatzvergabe im Internet
Abb.3  Informationen im Internet

 

Fazit

Zum einen zeichnet sich die Arbeit im Eigenbetrieb durch schnellere Entscheidungsprozesse dank abgeflachter Hierarchien aus. Gleichzeitig konnte die Koordination zwischen den einzelnen Arbeitsschritten (Grunderwerb, Planung, Vermessung, Erschließung und Vermarktung) verbessert werden. Da der Eigenbetrieb quasi als Bauherr auftritt und über alle Arbeitsschritte informiert ist, kann er als zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligten bei Abstimmungsschwierigkeiten lenkend eingreifen. Typische Zeitverluste, die sich aus der unzureichenden Abstimmung einzelner Ämter ergeben haben, konnten vermindert werden.

Durch die Organisationsform des Eigenbetriebs ist ein besserer Überblick über die Kosten, die mit einem Baugebiet zusammenhängen, gegeben. Alle anfallenden Kosten laufen beim Eigenbetrieb auf und werden dort verwaltet. Dies ist insbesondere durch die Loslösung vom städtischen Haushalt und damit vom kammeralen Haushaltssystem möglich. Zugleich bedeutet das auch die Abkehr vom Denken in Haushaltsstellen und die Einführung von einem Den­ken in Projekten. Gerade diese stärkere Projektorientierung hat zu einer effektiveren Entwicklung der Baugebiete beigetragen.

Auf der anderen Seite wurde mit dem Eigenbetrieb Salzgitter Grundstücksentwicklung eine zusätzliche planende Stelle geschaffen, die neben dem Fachdienst Planung selbständig Bebauungspläne erstellt. Hierin liegt ein gewisses Konfliktpotenzial, insbesondere was die Verteilung der Aufgaben betrifft (Stichwort: Kompetenzgerangel).

Darüber hinaus ist mit der Umwandlung eines Amtes in einen Eigenbetrieb für alle Beteilig­ten ein Umlernprozess verbunden, der mit einem erheblichen Arbeitsaufwand einhergeht (Stichworte: Werksausschuss als Organ statt Planungsausschuss als beratendes Gremium, Wirtschaftsplan statt Haushaltsplan, Jahresabschluss nach HGB).

Die Frage, ob die Gründung eines Eigenbetriebs zur Baulandentwicklung generell sinnvoll ist, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Unzweifelhaft hat die Gründung des Eigenbetriebs Salzgitter Grundstücksentwicklung zu zwei wesentlichen Effekten geführt. Zum einen ist dies eine stärkere Betrachtung der Kosten; zum anderen hat es innerhalb der Verwaltung zu merklichen Veränderungen durch einen neuen Zuschnitt der Zuständigkeiten geführt. Darüber hinaus konnte die Zeitspanne zwischen der Planaufstellung, der Erschließung und der Vermarktung deutlich verkürzt werden.

Ob die Baulandentwicklung auch durch die effektive Koordination innerhalb bestehender Strukturen hätte beschleunigt werden können, lässt sich schon für das Beispiel der Stadt Salzgitter kaum beantworten. Eine generelle Aussage, dass die Gründung eines Eigenbetriebs in jedem Fall Vorteile für die Wohnbaulandentwicklung bringt, lässt sich nicht ableiten. Vielmehr gilt es im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob durch eine geschickte Aufgabenverteilung – ggf. in Verbindung mit der Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) oder der kaufmännischen Buchführung (Doppik) – sich nicht auch viele positive Effekte ohne die Gründung eines Eigenbetriebs nutzen lassen.

Die Gründung eines Eigenbetriebs ist kein Allheilmittel. Das Ziel, mit dem ein Eigenbetrieb gegründet wird, muss klar umrissen sein und seine Aufgaben müssen eindeutig definiert werden. Ein „Macht mal!“ reicht auf keinen Fall aus.

 

Literaturhinweise:

Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1996 (Nds. GVBl. S. 382), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Mai 2006 (Nds. GVBl. S. 203)

Verordnung über Eigenbetriebe und andere prüfungspflichtige Einrichtungen (Eigenbetriebs­verordnung - EigBetrVO), vom 15. August 1989 (Nds. GVBl. S. 318, 1990 S. 30), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. März 2005 (Nds. GVBl. S. 79)

Betriebssatzung für den Städtischen Eigenbetrieb Grundstücksentwicklung, in der Fassung vom 09. März 2006 (Amtsblatt für die Stadt Salzgitter Nr. 5 vom 09. März 2006)

Thielen, Robert: Niedersächsische Gemeindeordnung – Kommentar, 7. Aufl., Kiel 2004

Katz, Alfred: Kommunale Wirtschaft, Stuttgart 2004

 

 , IfR
(Regionalgruppensprecher)

 

Interessante Links:

 

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