IfR-Nds.

IfR Regionalgruppe Niedersachsen

(Braunschweig/Hannover)

Hellwinkel-Terrassen in Wolfsburg, wie durch Leitbilder und Gestaltungsprinzipien ein besonderes Baugebiet entsteht

Exkursionsbericht der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig/Hannover)
von
Dr. Frank Schröter

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig/Hannover) statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

Am 12. September 2025 besichtigte die IfR-Regionalgruppe Niedersachsen das Baugebiet Hellwinkel-Terrassen in Wolfsburg (vgl. Bild 1). Die Fläche wurde früher vom ältesten Kleingarten in Wolfsburg genutzt. An diese Nutzung erinnert noch der Gedenkstein (vgl. Bild 2). Außerdem sind im Quartier an verschiedenen Stellen Quartiersgärten vorgesehen.

Bild 1: IfR-Regionalgruppe Nds.
Bild 1: IfR-Regionalgruppe Nds.
Bild 2: Gedenkstein für Kleingärten

Unter der fachkundigen Führung von P. Rey und F. Neurand erkundete die IfR-Regionalgruppe ein Gebiet mit einer hohen baulichen Dichte, aber auch einem gut durchdachten Freiflächenkonzept. Insgesamt entstehen 750 Wohneinheiten auf 11 ha. Auffallend war die unterschiedliche Kubatur der Gebäude, die sich wohltuend von der Eintönigkeit der Bebauung in vielen anderen Wohngebieten abhebt. So gibt es im Gebiet neben Mehrfamilienhäusern auch Reihenhäuser und Hochhäuser (vgl. Bild 3 und 4). Neben Eigentumswohnungen sind auch Mietwohnungen verschiedener Größe, Preisklassen und Ausstattungen vorhanden. Im städtebaulichen Konzept wurden sechs Typologien entwickelt:

  • Wohnhof
    Laubenganghäuser mit einem Anteil an Maisonette-Wohnungen
  • Zwilling
    zwei freistehende bis zu 6-geschossige Punkthäuser
  • Dorf
    2-3-geschossige Hauspaare
  • Reislinger Reihe
    Reihenhäuser mit Garten
  • Reihe
    verdichtete Form des Eigenheims mit Gartenterrasse
  • Appartementhaus
    8-12-geschossiges Punkthaus
Bild 3: Reihenhäuser
Bild 4: Straßenraum und Hochhaus

Das Baugebiet war bereits Thema des letzten IfR-Herbstvortrags der IfR-Regionalgruppe. Im Vortrag wurde 2017 aufgezeigt, wie anhand der Leitbilder „Landschaft und Natur“, „Vielfalt und Mischung“ sowie „Nachbarschaften“ die Zielvorstellungen der Stadt in Bebauungsplanung, Gestaltungsprinzipien, Investorendialog und bauliche Umsetzung übertragen wurden und mit welchen Herausforderungen und Überraschungen der Weg vom Wunsch zur Wirklichkeit gepflastert war. Was man damals noch nicht vorhersehen konnte, war die Krise bei Volkswagen und die Corona-Pandemie. Beides hatte erheblichen Einfluss auf die Realisierung des Projektes. Beispielsweise durch ein stark zurückgegangenes Interesse von Investoren.

Trotzdem gab es baubegleitende Gespräche mit den Investoren und Checklisten, die verpflichtend eingehalten werden mussten. Erst dann kam es zum Abschluss des Kaufvertrages.

Die besondere Bedeutung der Gestaltungsprinzipien lässt sich beispielhaft an den Balkonen verdeutlichen. Diese sind nur in wenigen Fällen vor der Fassade (vgl. Bild 5), in den meisten Fällen müssen sie in die Fassade integriert werden (vgl. Bild 6). Wichtig war auch, das alle Erdgeschosswohnungen über einen separaten Eingang verfügen (vgl. Bild 7).

Bild 5: Außen liegende Balkone
Bild 5: Außen liegende Balkone
Bild 6: In die Fassade integrierte Balkone
Bild 6: In die Fassade integrierte Balkone
Bild 7: Separater Eingang der Erdgeschosswohnungen
Bild 7: Separater Eingang der Erdgeschosswohnungen
Bild 8: Quartiersplatz
Bild 8: Quartiersplatz

In das Gebiet integriert ist der Quartiersplatz (vgl. Bild 8). Auch wurde auf eine Durchlässigkeit geachtet, die durch Wohnhöfe erreicht wurde (vgl. Bild 9). So entstehen kurze Wege. Ebenso wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verbindung zu den umgebenden bereits bestehenden Wohngebieten (vgl. Bild 10).

Bild 9: Kurze Wege durch durchlässige Innenhöfe
Bild 9: Kurze Wege durch durchlässige Innenhöfe
Bild 10: Durchgang zur umgebenden Wohngebieten

Da der Boden nicht versickerungsfähig ist, wurden Grünterrassen in 1,5 Metern Breite angelegt, die insgesamt den Höhenunterschied von 6 Metern überwinden (vgl. Bild 11). In die Terrassen sind Regenrückhaltebecken integriert. Insgesamt fassen die Terrassen 2.000 m³ Wasser. Die Terrassen dienen jedoch nicht nur dem Regenwassermanagement, sondern sind auch Erholungs- und Freizeitort für Bewohnerinnen und Bewohner. Die durch das Gebiet gehende autofreie Promenade (Grünachse) endet im neu gestalteten Schulhof der Grundschule Hellwinkel (vgl. Bild 12). Dieser soll später auch außerhalb der Schulzeit geöffnet werden und so als zusätzlicher Spielraum genutzt werden. Während der Bautätigkeiten ist der Schulhof noch eingezäunt.

Bild 11: Grünterrassen
Bild 11: Grünterrassen
Bild 12: Umgestalteter Schulhof
Bild 12: Umgestalteter Schulhof

Auf dem Schulhof nutzten F. Neurand und P. Rey die Gelegenheit, diesen Teil des Freiflächenkonzeptes der IfR-Regionalgruppe zu erläutern (vgl. Bild 13).

Im Gebiet standen früher einige Eichen, die den Gebäuden weichen mussten. Als Reminiszenz daran wurde ein Kunstobjekt gestaltet (vgl. Bild 14). So wird symbolisch eine Verbindung zum angrenzenden Wald hergestellt. Im Baugebiet konnten keine neuen Bäume gepflanzt werden. Grund hierfür sind die Tiefgaragen (vgl. Bild 15), die für ein autoarmes Wohngebiet sorgen. Insgesamt wurde versucht, die Verkehrsflächen zu minimieren, auch durch die Kombination mit Rasengittersteinen für Feuerwehrzufahrten (vgl. Bild 16). Durch die Berücksichtigung entsprechender Schleppkurven konnte auch auf platzintensive Wendehämmer verzichtet werden.

Bild 13: F. Neurand und P. Rey erläutern das Freiflächenkonzept
Bild 13: F. Neurand und P. Rey erläutern das Freiflächenkonzept
Bild 14: Kunstobjekt als Reminiszenz an Eichen
Bild 14: Kunstobjekt als Reminiszenz an Eichen
Bild 15: Tiefgarageneinfahrten
Bild 15: Tiefgarageneinfahrten
Bild 16: Feuerwehrzufahrt
Bild 16: Feuerwehrzufahrt

Durch die verzögerte Realisierung des Baugebietes konnten weitere Erkenntnisse zur Klimaanpassung hinzu genommen werden. So gibt es in den Straßen erste Ansätze des Schwammstadtprinzips, die in der ursprünglichen Planung noch nicht vorgesehen waren.

Zum Abschluss der Exkursion konnten wir noch P. Teicher (Architekt der Wohnzwillinge) dafür gewinnen, uns das besondere Konzept der Gebäude zu erläutern (vgl. Bild 17 und 18). Ein kybernetisches Haus (vgl. Bild 19) mit Luftkollektorfassade und einem minimal-technischen Ansatz (vgl. auch https://architekten-rtw.de/project/wohnzwilling/).

Bild 17: Architekt P. Teicher erläutert das Konzept des Wohnzwillings
Bild 17: Architekt P. Teicher erläutert das Konzept des Wohnzwillings
Bild 18: IfR-Regionalgruppe im kybernetischen Haus:
Bild 18: IfR-Regionalgruppe im kybernetischen Haus:
Bild 19: Kybernetisches Haus
Bild 19: Kybernetisches Haus

Zufällig trafen wir auch eine Bewohnerin des Gebäudes, die uns spontan zu einer Wohnungsbesichtigung einlud. Auf ihrer Terrasse hatten wir dann einen schönen Blick über Wolfsburg und das Baugebiet (vgl. Bild 20 und 21)

Insgesamt eine sehr interessante Exkursion, bei der wir die Entwicklung von der Idee (IfR-Herbstvortrag 2017) bis zur Umsetzung (2025) vergleichen konnten. Es lohnt sich sicher, in ein paar Jahren die Siedlung erneut zu besichtigen, wenn alles gebaut, begrünt und durch die Bewohnerinnen und Bewohner mit Leben erfüllt ist!?

Bild 20: IfR-Regionalgruppe blickt über Wolfsburg
Bild 20: IfR-Regionalgruppe blickt über Wolfsburg
Bild 21: Das Wohnbaugebiet im Überblick
Bild 21: Das Wohnbaugebiet im Überblick

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