IfR-Nds.

IfR Regionalgruppe Niedersachsen

(Braunschweig/Hannover)

Revival Radtour: Regenerative Energien im LK Wolfenbüttel

Fahrradexkursionsbericht der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig/Hannover)
von
Dr. Frank Schröter

Die Exkursion fand im Rahmen der Treffen der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig/Hannover) statt. In der wärmeren Jahreszeit wird das Regionalgruppentreffen durch eine Exkursion (mit Führung) zu einem planerischen Thema eingeleitet.

Am Samstag, dem 21. Juni 2025 fand wieder die traditionelle jährliche Radtour der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen (Braunschweig / Hannover) statt (vgl. IfR-Radtouren). Diesmal eine Revival-Tour zu einer Radtour, die wir bereits 2011 unternommen haben und wie damals konnte nur der „harte Kern“ der IfR-Regionalgruppe zur Teilnahme animiert werden. Gründe für die geringe Teilnehmerzahl waren evtl. die anvisierten 60 km Tourstrecke, oder einfach andere „wichtigere“ Termine. Anscheinend ist auch eine frühzeitige Jahresplanung kein Garant dafür, sich diesen Termin freizuhalten!? Zur Erinnerung der Exkursionsbericht von der IfR-Radtour 2011 „Erneuerbare Energien im Landkreis Wolfenbüttel“:

Die Tour begann am Bahnhof Braunschweig, von wo wir mit der Regionalbahn zum Bahnhof Salzgitter-Ringelheim fuhren. Nach kurzer Wartezeit auf dem Bahngleis (vgl. Abb. 1) konnten wir die Fahrräder im Zug unterbringen (vgl. Abb. 2). Der Platz für Fahrräder hätte gerne etwas großzügiger ausgelegt sein können. Absprachen mit später zugestiegenen Radfahrern, die länger in der Regionalbahn verblieben, wurden so notwendig, damit alle Fahrräder rechtzeitig ausgeladen werden konnten.

Abb. 1 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen am Bahnhof Braunschweig
Abb. 1 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen am Bahnhof Braunschweig
Abb. 2 Fahrräder in der Regionalbahn
Abb. 2 Fahrräder in der Regionalbahn

Die Tour begann dann am Bahnhof Salzgitter-Ringelheim und führte durch den Landkreis Wolfenbüttel sowie durch das Stadtgebiet von Salzgitter. Im Gegensatz zu 2011 hatte sich der Bahnhof durch die Umgestaltung, die im Jahr 2019 abgeschlossen wurde, positiv verändert. Fahrradrampen, Fahrradabstellanlage und eine Toilettenanlage führen zu einem insgesamt positiven Erscheinungsbild. Die Tour war von Christoph Löher (Abteilungsleiter Planung beim Landkreises Wolfenbüttel, vgl. Abb. 1 (1. von links) sehr gut vorbereitet und ausgearbeitet worden und wurde uns am Bahnhof erläutert.

Zunächst gab es einige Informationen zur Situation der erneuerbaren Energien im Landkreis Wolfenbüttel: Der Bestand in Vorranggebieten, auf der Basis des regionalen Raumordnungsprogramms der Regionalverbandes Großraum Braunschweig (RROP) aus dem Jahr 2008 beträgt 59 Windenergieanlagen (WEA) mit 113,2 MW Nennleistung, knapp 2 MW / WEA. Durch die 1. Änderung des RROP erhöhte sich der Bestand in Vorranggebieten auf 82 WEA mit 512 MW Nennleistung, ~ 6,2 MW / WEA. In Summe haben die 141 WEA ca. 625,2 MW Nennleistung.

Der Landkreis Wolfenbüttel hat eine Fläche von 722,3 km² bzw. 72.230 ha. Der Flächenanteil der Vorranggebiete nach dem RROP 2008 betrug 441 ha / 72.230 ha = 0,6 %. Der Flächenanteil der Vorranggebiete stieg nach der 1. Änderung des RROP auf 1.565 ha / 72.230 ha = 2,2 %, ein Zuwachs um 1,6 %-Punkte. Durch die aktuelle RROP-Teilfortschreibung Wind (vgl. https://www.regionalverband-braunschweig.de/wind2025 ) erhöht sich der Flächenanteil auf 3,9 %, also ein Zuwachs um weitere 1,7 %-Punkte.

Seit dem Inkrafttreten der 1. Änderung des RROP erfolgten 12 Erstgenehmigungen und zwei Repowering-Genehmigungen (insgesamt 67 WEA), dazu fast immer nachträgliche Änderungsgenehmigungen, z. B. wegen Leistungssteigerung. Außerdem ein Vorbescheid und dessen Verlängerung sowie einige Änderungsanzeigen, z. B. wegen bedarfsgesteuerter Nachtkennzeichnung (BNK). Das bedeutet, dass die Anlagen nachts nicht mehr dauerhaft rot blinken, sondern nur noch, wenn sich ein Flugobjekt nähert. Dies stellt eine große optische Erleichterung fürs Landschaftsbild, aber natürlich insbesondere für die Bevölkerung in der Nähe der Anlagen dar. Anlagen, die vor dem 1. Januar 2025 in Betrieb genommen wurden, müssen grundsätzlich zu diesem Stichtag mit einer entsprechenden BNK-Einrichtung „ausgestattet“ sein. Neue Anlagen werden also nur noch mit BNK genehmigt, ältere Anlagen müssen nachgerüstet werden, wenn sie nach dem 31.12.2005 in Betrieb genommen wurden.

Aktuell (2025) gibt es zwei Anträge auf Erstgenehmigung und zwei Repowering-Anträge (alles zusammen 15 WEA), sowie einen Antrag auf Änderungsgenehmigung wegen Leistungssteigerung. Außerdem sind bereits zwei weitere Anträge auf Erstgenehmigung sowie ein Repowering-Antrag angekündigt.

Hierbei enthält ein Bebauungsplan (B-Plan) eine besondere Festsetzung, die nach § 249 Absatz 8 BauGB möglich ist (vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__249.html ). Konkret wird im B-Plan festgesetzt, dass die neuen Windenergieanlagen nur zulässig sind, wenn sichergestellt ist, dass nach der Errichtung der im Bebauungsplan festgesetzten Windenergieanlagen andere im Bebauungsplan bezeichnete Windenergieanlagen innerhalb einer im Bebauungsplan zu bestimmenden angemessenen Frist zurückgebaut werden. Im konkreten Fall werden so alte Anlagen abgebaut, die relativ nah an bebauten Ortslagen stehen und auch nicht innerhalb von Vorranggebieten. Für den Antragsteller bedeutet dies, dass er Zugriff auf die Altanlagen haben muss.

Erste Station unserer Radtour war der Windpark Haverlah, den wir bereits bei der Fahrradexkursion 2011 kennengelernt haben, der aber in der Zwischenzeit deutlich gewachsen ist (vgl. Abb. 3). Im Vorranggebiet Haverlah stehen 19 WEA mit 55,6 MW Nennleistung, zusätzlich acht WEA außerhalb in SG Baddeckenstedt mit 7,8 MW Nennleistung. In Summe sind das 27 WEA mit einer Nennleistung von 63,4 MW. Hinzu kommen sechs Anlagen des Typs Vestas V162):

– Leistung: ursprünglich 5,6 MW, nachträglich 6 MW
– Nabenhöhe: 166 m
– Rotorradius: 81 m
– Gesamthöhe: 247 m
– Genehmigung: 18.02.2021
– Inbetriebnahme: Ende 22 / Anfang 23

Abb. 3 Windpark Haverlah
Abb. 3 Windpark Haverlah
Abb. 4 Mitglieder der IfR-Regionalgruppe Niedersachsen blicken auf den Windpark Haverlah

Beim kurzen Stopp (vgl. Abb. 4) gab uns Christoph Löher zahlreiche interessante Informationen. Bei den in Abb. 5 zu sehenden WEA beträgt der Größenunterschied zwischen den Anlagen mit roter Banderole und denen mit grüner Banderole ca. 150 m. Ein Höhenunterschied, den wir optisch nicht erkennen konnten. Der Unterschied zwischen den beiden Anlagen links mit rotweißen Flügeln, aber ohne rote Banderole, und denen mit roter Banderole beträgt 100 m.

Die Flügel der WEA sind mittlerweile verändert worden und haben jetzt kleine Zacken an den Rändern (vgl. Abb. 6). Dieses Detail ist aus der Natur abgeguckt, von den Eulen. Eulen bewegen sich nahezu lautlos durch die Nacht und damit auch die Flügel der WEA leiser werden, wurde dieses Detail übernommen.

Abb. 5 WEA mit unterschiedlichen Höhen
Abb. 5 WEA mit unterschiedlichen Höhen
Abb. 6 Zacken an den Flügelrändern
Abb. 6 Zacken an den Flügelrändern

Weiter ging es durch die schöne Landschaft des Landkreises Wolfenbüttel (vgl. Abb. 7), bevor wir unseren nächsten Stopp erreichten, die Übergabestation der 380-kV-Leitung Wahle-Mecklar vom Erdkabel auf Freileitung (vgl. Abb 8). Die 380 kV-Leitung Wahle-Mecklar ist eine ca. 230 km lange Höchstspannungsleitung zwischen dem Umspannwerk (UW) Wahle (bei Vechelde) und dem UW Mecklar (Nordhessen). Vorhabenträgerin ist die „TenneT TSO GmbH“ aus Bayreuth. Erste Planungen begann 2007, offiziell eingeweiht und in Betrieb genommen wurde die Anlage dann am 27.11.2024.

Die Leitung war ursprünglich vollständig als Freileitung geplant und benötigte vier Raumordnungsverfahren und entsprechende Planfeststellungsabschnitte (drei in Niedersachsen und eins in Hessen). Die Landesplanerische Feststellung für den Abschnitt A erfolgte am 30.11.2011 und die Planfeststellung für den Abschnitt A ab 2013.

Im Jahr 2015 erfolgte dann mit der so genannten „Lex Gabriel“ (Sigmar Gabriel hatte seinen Wahlkreis in Wolfenbüttel / Salzgitter) eine Änderung im Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) der § 2 Absatz 2 Satz 4 EnLAG erhielt folgende Fassung: „Um den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene im Übertragungsnetz auf einer längeren Strecke als Pilotvorhaben zu testen, kann zusätzlich ein 10 bis 20 Kilometer langer Teilabschnitt des Abschnitts Wahle – Lamspringe der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 genannten Leitung [Wahle-Mecklar] auf Antrag des Vorhabenträgers als Erdkabel errichtet und betrieben oder geändert werden.“

Diese Änderung erforderte ein erneutes Aufrollen des Planfeststellungsverfahrens für den 13 km langen Erdkabelabschnitt und zwei Kabelübergangsanlagen bei SZ-Lesse und Holle. Der neue Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt A erfolgte dann am 31.05.2019, danach gab es noch kleinere Änderungen

Abb. 7 IfR-Regionalgruppe Niedersachsen on Tour
Abb. 7 IfR-Regionalgruppe Niedersachsen on Tour
Abb. 8 Übergabestation vom Erdkabel auf Freileitung bei SZ-Holle
Abb. 8 Übergabestation vom Erdkabel auf Freileitung bei SZ-Holle

Der Blick auf die Übergabestation war eine günstige Gelegenheit eine kurze Trink und Verschnaufpause einzulegen (vgl. Abb. 9). Die nächste Station war dann die Freiflächen-PV-Anlage Binder, mit einer Größe von 16,6 ha (vgl. Abb. 10). Die 25.760 Module mit einer Leistung von 15,7 MWp produzieren knapp 16 Mio. kWh/a. Die Anlage wurde auf einem ehemaligen Kiesabbau realisiert. Für diese Fläche war keine landwirtschaftliche Rekultivierung vorgesehen und sinnvoll, aber trotzdem war die Fläche als Vorbehaltsgebiet Landwirtschaft im RROP dargestellt.

Hierdurch mussten im Vorfeld zwei Zielabweichungsverfahren beim Ministerium durchgeführt werden, da zu der Zeit im Landesraumordnungsprogramm (LROP) das Ziel der Raumordnung enthalten war, dass Vorbehaltsgebiete Landwirtschaft nicht für Freiflächen-PV in Anspruch genommen werden dürfen. Dieses Ziel ist inzwischen abgeschwächt zu einem Grundsatz der Raumordnung und damit der Abwägung zugänglich. Auch wurde das Wort „dürfen“ durch das Wort „sollen“ ersetzt, was ebenfalls eine Abschwächung darstellt.

Der B-Plan für die Anlage ist seit dem 29.12.2022 rechtskräftig.

Seit Anfang 2023 gibt es im Baugesetzbuch (BauGB) die Außenbereichsprivilegierung von FFPV-Anlagen im Bereich von 200 m beiderseits von Autobahnen und zweigleisigen, fahrplanmäßig betriebenen Schienenwegen (§ 35 Absatz 1 Nummer 8b BauGB). Trotz dieser Änderung wäre für das Projekt, auch unter diesen neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen, für die östliche Hälfte eine Bauleitplanung (B-Plan) erforderlich gewesen.

Abb. 9 Trink und Verschnaufpause
Abb. 9 Trink und Verschnaufpause
Abb. 10 Freiflächen-PV-Anlage Binder
Abb. 10 Freiflächen-PV-Anlage Binder

Die Mittagspause fand dann, wie bereits 2011, wieder am Gasthaus Meine statt. Leider ist das Gasthaus inzwischen geschlossen, so dass wir nicht einkehren konnten und uns selbst verpflegen mussten. Das Gebäude sollte nach Aufgabe der Gasthausnutzung umgenutzt werden, steht jedoch nach einem Brand leer (vgl. Abb. 11).

Abb. 11 Gasthaus Meine
Abb. 11 Gasthaus Meine

Beim Picknick gab es dann noch weitere Informationen zu Projekten, die sich derzeit noch im Planungsstadium befinden und die wir uns daher noch nicht ansehen konnten.

Dies betrifft zum einen eine AGRI-PV Anlage in Burgdorf, die insgesamt ca. 75 ha groß ist und in 10 Teilflächen aufgeteilt wird. Der Reihenabstand der Module wird 8,25 m betragen. Dies wird wahrscheinlich die erste AGRI-PV Anlage im Großraum Braunschweig sein und ist sicher einen Besuch wert, wenn sie realisiert wurde. Diese Anlage fällt nicht unter den Privilegierungstatbestand nach § 35 Absatz 1 Nummer 9 BauGB, deshalb ist eine Bauleitplanung erforderlich.

Die zweite Planung betrifft eine FFPV ebenfalls in Burgdorf. Hier sollen auf einer Fläche von ca. 10,5 ha ca. 15 Mio. kWh/a produziert werden (bei einer Leistung von ca. 15 MWp). Die in Anspruch genommene Fläche ist kein sehr ertragreicher Boden. Trotz der Nähe zur A 39 gibt es auch hier keine Privilegierung, deshalb ist ein Bauleitplanverfahren erforderlich.

Exkurs: Nach dem Flächenziel aus § 3 NKlimaG müssen bis 2033 in Niedersachsen 0,5 % der Landesfläche für FFPV ausgewiesen werden. Für das Gebiet des Regionalverbandes Großraum Braunschweig (RGB) sind das ca. 2.500 ha. Davon sind (nach RGB, 2024) bereits 170 ha realisiert und weitere 1.700 ha in Planung. Neben dem Flächenziel enthält das NKlimaG auch ein Leistungsziel. Demnach müssen bis 2035 in Niedersachsen 65 GW PV installiert sein, davon bis zu 15 GW als FFPV. Für die Fläche des RGB wäre das eine Leistung von ca. 1,5 GW. Davon sind 0,1 GW bereits realisiert und weitere 1,57 GW in Planung. Das Ziel wird also übererfüllt.

Nachdem wir uns mit einem Picknick gestärkt hatten, führte die Radtour vorbei am Salzgittersee und Schacht Konrad wieder nach Braunschweig.

Nach knapp 60 km informativer IfR-Radtour waren wir alle gerne bereit, die Tour gemütliche im Greek Haus mit gutem Essen und Biergarten am Frankfurter Platz (früher Gambit) ausklingen zu lassen!

Rechtshinweis

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